#16 – Müssen die Deutschen mehr arbeiten?

Shownotes

Die Empörung in Deutschland war groß, als Bundeskanzler Friedrich Merz vor einigen Wochen die Arbeitsmoral der Deutschen in Frage stellte. Man müsse wieder mehr und effizienter in diesem Land arbeiten, so der Kanzler, mit Work-Life-Balance und Vier-Tage-Woche könne man den Wohlstand nicht sichern. Viele Beschäftigte fühlten sich durch die Äu8erung indirekt als faul und arbeitsscheu diffamiert. Er könne verstehen, dass Kolleginnen und Kollegen den Satz respektlos finden würden, sagte der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis beim „Kompass“-Talk unter dem Motto „Faul oder nicht faul, das ist hier die Frage: Braucht Deutschland wirklich mehr Bock auf Arbeit?“ Es sei wichtig, sachlich über Themen wir Arbeitszeit und Arbeitsvolumen zu debattieren – und der Satz des Kanzlers sei weder sehr sachlich gewesen noch inhaltlich korrekt. Zielführender sei es, darüber zu debattieren, wie die Produktivität im Land wieder verbessert werden könne.

Sein Gesprächspartner, der Wirtschaftswissenschaftler und Experte Enzo Weber, erklärte, dass es hierzulande nicht schlecht um die Arbeitsmoral stehe, sondern vor allem um die Demografie. In den 15 kommenden Jahren würden sieben Millionen Arbeitskräfte aus Altersgründen aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Um das auszugleichen, müsse man nun die richtigen Hebel nutzen und die Potenziale beispielsweise bei Frauen, Teilzeitbeschäftigten, Minijobbern und Zugewanderten heben, sagte Weber, der als Forschungsbereichsleiter beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) kürzlich eine Befragung rund um Arbeitszeitthemen durchgeführt hat.

Zu den Plänen der Regierung, statt einer Tageshöchstarbeitszeit eine Wochenhöchstarbeitszeit einzuführen, verwiesen beide darauf, dass man dabei den Punkt Arbeitsschutz nicht vergessen dürfe. „Diese Erkenntnisse dürfen nicht einfach vom Tisch gewischt werden“, so Vassiliadis. Der IGBCE-Vorsitzende und der IAB-Experte Weber diskutierten auch über weitere Pläne der Regierung: etwa, wie sinnvoll es ist, Überstunden steuerfrei zu gestalten welche Anreize helfen könnten, die Teilzeitquote zu erhöhen und was nötig sei, um die Produktivität tatsächlich wieder zu erhöhen. „Wir brauchen wieder ein positives Bild von Produktivitätsfortschritt“, forderte Vassiliadis unter anderem.

Der „IGBCE Kompass“ erscheint alle zwei Monate. Ihr könnt ihn auf allen gängigen Podcast-Plattformen abonnieren, außerdem bei YouTube und igbce.de als Video sehen. Unsere Mitglieder finden ihn in der „Meine IGBCE“-App und als Zusammenfassung zum Nachlesen in der nächsten Ausgabe des Mitgliedermagazins „Profil“.